Cover Blades in the Dark

Blades in the Dark von One Seven Design und von Evil Hat Productions verlegt, ist ein Rollenspiel über die wagemutigen Abenteuer von Schurken, Halunken und sonstigen Unterweltler, die sich in einer steampunkigen, düsteren Großstadt durchschlagen müssen. Dabei liegt der Fokus darauf, die Geschichten mit den Regeln abzubilden, es ist also ein narratives Regelsystem, das Verbrecherbanden in düsteren (Fantasy)-Städten simuliert.

Blades in the Dark 1

Ein narratives System

Die grundlegende Mechanik ist simpel und basiert auf dem guten, alten W6: Je erfahrener ein Charakter ist, desto mehr davon dürfen gewürfelt werden. Generell zählt der höchste Würfel, bei einer 6 ist es ein kleiner Erfolg, 4 & 5 deuten einen Erfolg mit Komplikationen an, 1 bis 3 sind Fehlschläge. Würfelt man mehr als eine 6 ist es ein kritischer Erfolg. Es würfeln nur die Spieler*innen, Spieleiter*innen sagen einfach, was geschieht und die Charaktere können agieren oder reagieren.

Das, was Blades in the Dark außergewöhnlich macht, ist die Verzahnung der verschiedenen Subsysteme, die den Spieler*innen Haken liefern, um ihre Charaktere in der Welt zu verankern. Denn die Charaktere sind in einer Gang zusammengeschlossen, die mit den verschiedenen Kräften und Fraktionen in der Unterwelt konkurriert, mit anderen alliiert ist, wenngleich wiederum andere wieder die Opfer der Verbrechen werden können. So lenkt man nicht nur die Geschicke eines einzelnen Charakters, sondern auch die der Bande, was automatisch Verstrickungen, Motivationen und viele Ansatzpunkte für den GM mit sich bringt.

Da das System die Geschichten klassischer Verbrechertypen erzählen will, sind die Charaktere Archetypen, hier Playbooks genannt. Möchte man ein klassischer Schläger sein, so ist Cutter die richtige Wahl. Lurks schleichen durch die Schatten, Leeches decken alles von verrückten Wissenschaftlern bis zu Safeknackern ab. Hounds verlieren keine Fährte und verlassen sich auf ihre Gewehre, Slides fühlen sich in den schäbigsten Kaschemmen ebenso wohl wie auf dem Ball eines Prinzen, Spiders ziehen im Hintergrund die Fäden. Und weil es Dark Fantasy ist, gibt es auch Whispers, die vor allem mit den Geistern der Toten Schabernack treiben können.

Die Playbooks bilden ein Fertigkeitenspektrum ab, mit dem man seiner Rolle gerecht werden kann. Dabei ist es auch möglich, die besonderen Fähigkeiten anderer Playbooks zu lernen, und so einen ganz eigenen Stil abzubilden. Apropos Fähigkeit: Die Charaktere sind sehr kompetent – das Problem für sie ist nicht, dass sie nicht echte Profis sind, sondern dass ihr Lebensstil sehr fordernd ist. So ist Stress eine wichtige Ressource, und so manche hartgesottene Schlägerin fand sich davon überwältigt. Einige Male mag das gut gehen, zu oft, und man ist einfach nicht mehr für das harte Leben in den Schatten geeignet.

Die Gangs haben ihre eigenen Bögen, Fähigkeiten und Kontakte, die auf die jeweilige Spezialisierung ausgelegt sind. Im Laufe einer Kampagne steigert man auch den Einfluss der Bande, erkämpft sich ein größeres Territorium, lernt neue Tricks, schmiedet Allianzen und macht sich Feinde – vermutlich viele Feinde.

Blades in the Dark 2

Clevere Ideen für klassische Fallen

Ein Beispiel für das narrative Element ist die Ausrüstung: Anstatt detailliert festzulegen, was ein Charakter bei sich trägt, gibt man nur an, wie gerüstet man los zieht. Ergibt sich eine Gelegenheit, Ausrüstung einzusetzen, markiert man sie auf dem Charakterbogen und hat sie dabei – zumindest solange man noch Slots übrig hat. Balanciert wird das dadurch, dass mehr Ausrüstung bedeutet, dass unbescholtene Bürger immer leichter erkennen, dass man kein solcher ist. Es gilt also immer zwischen Nutzen und Risiko abzuwägen.

Ein weiteres Schmankerl sind die sogenannten Clocks, Uhren, vielseitig nutzbare Countdowns, die grafisch anzeigen, dass gerade im Hintergrund Dinge passieren. Ist man zum Beispiel bei einem Einbruch nicht leise genug, könnte jeder nicht erfolgreiche Wurf eine Uhr ticken lassen, bis sie schließlich voll ist und ein Alarm ausgelöst wird. Die Art der Verwendung von Clocks wird nur durch die eigenen Kreativität limitiert, und sie zeigen den Spieler*innen direkt an, dass die Welt um sie herum nicht stillsteht.

Die klassische Falle „Planung einer Aktion“, die gerne mal zu ewig langen Planungsphasen ausartet, deren Ergebnisse beim ersten Kontakt mit Problemen in sich zusammenfallen, umgeht Blades in the Dark auch geschickt: Spieler*innen können jederzeit Rückblenden einbauen, in denen ihre Charaktere ein Problem vorab erkannt und gelöst haben – zumindest falls die Würfel gnädig sind. Dabei können bereits im Spiel etablierte Fakten nicht mehr verändert werden. Steht also vor dem Tresorraum eine Wache, kann man diese nicht einfach verschwinden lassen, wohl aber ausspielen, wie sie am Abend vorher bestochen wurde, oder wie man ein Betäubungsmittel besorgt hat. Natürlich sind derartige Problemlösung oft stressig, und Stress ist eine endliche Ressource für Schurken jedweder Couleur …

Doskvol, die nächtliche Stadt

Das System kommt mit einem eigenen Setting, der sehr düsteren Stadt Doskvol, die eng mit den Regeln verzahnt ist. Eine Großstadt, deren Umland so gefährlich ist, dass man sich bei Problemen mit anderen Gangs oder dem Gesetz nicht einfach verdrücken kann, die an eine Mischung aus London und Venedig erinnert, gehüllt in ewige Nacht, mit einer großen Anzahl von Fraktionen jeder Art, ein wortwörtlich gefährliches Pflaster. Weird Science à la Steampunk und dunkle Magie runden das Setting ab.

Das Spiel mit Fraktionen, die eigene Ziele, Pläne, Alliierte und Feinde haben, gehört immanent zum System dazu. Praktischerweise bringt das Motivationen für die Charaktere mit, die dadurch in der Welt geerdet.

Blades in the Dark 3

Regeln, Tools, Online-Unterstützung

Für das Online-Gaming stellt Evil Hat ein Supplement für Roll20 zur Verfügung, sowie kostenfreie, sehr gut designte Charakterbögen samt API-Skripten. Zu kaufen gibt es ein Rules Compendium, Art & Token Packs und ein AddOn für Kampagnen (hier im praktischen Bundle). Nutzt man Roll20 und möchte Blades in the Dark spielen, lohnt sich die Investition definitiv. Für andere Plattformen, wie Foundry Virtual Tabletop, gibt es auch oft von Fans erstellte Sets.

Blades in the Dark ist nicht nur sehr gut geeignet, um es auf andere Geschichten umzubasteln, Evil Hat erlaubt es auch explizit. Dadurch sind eine ganze Reihe Hacks entstanden, die für sich selbst genommen exzellent ist – wie zum Beispiel Scum & Villainy, mit dem sich die Abenteuer von Weltraumrebellen, Kopfgeldjägern und Schmugglern abbilden lassen, also Star Wars, Cowboy Bebop und Firefly. Dementsprechend gibt es eine lebendige Community, die in allerlei Richtungen denkt und produziert.

Fazit

Von mir gibt es eine klare Empfehlung: Narrativ dicht mit ausgeklügelten Regeln, einer ansprechenden Hintergrundwelt, dabei aber einfach auf andere zu übertragen. Auf der Seite von Blades in the Dark findet ihr die Regeln in einem SRD und natürlich auch Wege das Spiel zu kaufen.

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