Neulich erschien während eines Pen & Paper-Streams ein Kompliment im Chat, das mich sehr erfreut hat: Du schaffst es immer, mit wenigen Worten ein Bild zu zaubern (paraphrasiert). Als dann bei der Frage nach Wunschartikeln unter meinen Supportern ein Vorschlag war, zu erklären, wie man mit wenigen Worten Szenen und Charaktere beschreibt.
»Ein Bild sagt mehr tausend Worte« ist eine Redewendung, die uns Geschichtenerzähler*innen abschrecken könnte. Und beim Spielleiten ist es durchaus nützlich, Bilder parat zu haben. Doch selbstverständlich ist das nicht immer möglich, und wenn man nicht gerade die Story eines Comics schreibt, muss man sich auch beim Schreiben auf die eigenen Worte verlassen. Zum Glück gibt es Techniken und Methoden, um die eigenen Beschreibungen richtig gut werden zu lassen.
Aller Anfang ist schwer
Ein guter Teil ist, wie bei so vielem, Übung. Kreativität ist keine kosmische Energie, die einen einfach überkommt, sondern kann ebenfalls trainiert werden. Falls du merkst, dass dir kreative Arbeit generell schwer fällt, solltest du das nicht abschreckend empfinden, sondern als ersten Schritt auf einem Weg. Und die gute Nachricht ist: Sowohl Schreiben als auch Pen & Paper sind exzellente Methoden, um die kreativen Muskeln zu trainieren!
Einfach im eigenen stillen Kämmerlein für dich selbst Fingerübungen machen. Das bedeutet, Szenen, Orte und Figuren zu beschreiben, am besten mit wenig Worten, und diese Textfragmente dann analysieren. Mir hilft es, Texte erst einmal einige Zeit liegen zu lassen, um Abstand zu gewinnen. Das kann ein Tag sein, aber auch mehrere bis hin zu Wochen. Danach geht man mit einem ganz anderen Blick an sie heran.
Die Ergebnisse laut vorlesen, ist nicht nur eine gute Übung für Pen & Paper, sondern auch für das Schreiben. Beim Vorlesen bekommst du oft ein besseres Gefühl für Fluss und Rhythmus der Sprache – und bemerkst nicht selten noch Fehler!
Das Schöne ist, dass diese Übungen nicht verschwendet sind, auch wenn ich generell nicht glaube, dass Lernen Verschwendung ist. Du kannst danach schnell auf fertige Beschreibungen zurückgreifen, wenn du sie benötigst. Im besten Fall hast du dir eine Kartei geschaffen, die dir Sicherheit und Selbstvertrauen gibt, während du improvisierst.
Auf den Schultern von Giganten
Eine gute Methode, um die eigenen Beschreibungen so werden zu lassen, wie sie dir gefallen, ist von denjenigen zu lernen, die das schon machen. Egal ob es Bücher sind, oder Actual Plays, oder vielleicht deine Spielleitung am Wohnzimmertisch, wenn dir etwas gefällt, oder besonders kreativ oder eindringlich erscheint, nimm dir die Zeit, zu verstehen, warum das so ist. Ist es der Sprachrhythmus, die Wortwahl, ein besonders anschaulicher Vergleich?
Wir müssen nicht alle wieder das Rad neu erfinden! Im Gegenteil, wir haben den Vorteil, dass viele kluge Menschen vor uns sich ihre Köpfe zerbrochen habe.
Gerade im Pen & Paper reißt dir auch niemand den Kopf ab, wenn du schöne Beschreibungen recyclest. In Texten, besonders wenn sie für die Veröffentlichung gedacht sind, ist die Schwelle zurecht höher. Aber wir alle lassen uns von den Medien, die wir konsumieren, inspirieren. Das ist keine Schwäche, sondern eine Stärke.
Bilder aus Worten
In meinem Artikel zu Nebenfiguren habe ich schon darauf hingewiesen, dass es häufig nützlich ist, sich kurz zu fassen. Du musst viele Beschreibungen liefern, und sowohl im geschriebenen Text als auch im Pen & Paper wird das schnell dröge, besonders wenn es naturgemäß zu Wiederholungen und Redundanzen kommt. Deshalb zitiere ich mich frech selbst: »Sei markant in der Beschreibung. Ein klares Wort bleibt besser in der Erinnerung als gewundene, blumige Sätze. Es ist keinesfalls notwendig, viele Details unterzubringen; im Gegenteil, ein gut gesetztes ist Gold wert und ersetzt beliebig viele schwammige Begriffe.«
Eine gute Fingerübung ist, eine Beschreibung mit nur drei Worten zu erstellen. Tatsächlich sind die meisten meiner Notizen für Nebenfiguren derart: Drei starke Adjektive oder kurze Beschreibungsfetzen. Gleiches gilt für Orte und Szenen: Fass dich bewusst sehr kurz, setz dir harte Grenzen. Das zwingt geradezu zu Kreativität, um die nötigen Informationen unterzubringen.
Dabei kannst du dich auf die Phantasie deiner Lesenden oder Zuhörenden verlassen. Eine gute Beschreibung, auch eine extrem kurze, beschwört Bilder herauf. Und keine Sorge, wenn die nicht ganz genau deinem eigenen Bild entsprechen – es gibt keine Kreativtätspolizei, die da anrückt.
Also, keine Sorge vor starken Worten, vor klaren Beschreibungen. Um eine bedrohliche Szene zu beschreiben, musst du nicht jeden Schatten erwähnen, in denen Bösewichte verborgen sein können. Vielmehr genügt es, darauf hinzuweisen, dass die Schatten so dunkel sind, dass sie wie Löcher in der Realität wirken. Und da sind wir schon bei einem weiteren Punkt: Vergleiche, Metaphern und dergleichen sind sehr gute sprachliche Stilmittel, um schnell Bilder und Assoziationen zu zaubern. Da es nicht immer einfach ist, die passend aus dem Hut zu zaubern, lohnt es auch hier, dir vorher welche zu überlegen.
Möchtest du mit Worten malen, ist es sinnvoll, viele Farben auf der Palette zu haben. Das bedeutet, dein Wortschatz ist dein Werkzeugkasten. Sind deine Beschreibungen langweilig und alltäglich? Jag sie durch die Synonymsuche und finde unkonventionelle, evokative Möglichkeiten, den Standard umzukrempeln. Auch hier wieder ist Lernen von anderen nicht nur erlaubt, sondern eine richtig gute Methode.
Ein Anteil, der oft untergeht, ist der Fluss der Sprache, ihr Rhythmus. Ich habe es oben schon erwähnt, aber man kann damit sehr viel Atmosphäre erzeugen. In einer Actionszene unterstreichen atemlose, schnelle Beschreibungen den Moment, am Hofe des Sonnenkönigs ist opulente Extravaganz in der Sprache ein Stilmittel, um ihn zu charakterisieren.
Eine atemlose Beschreibung könnte zum Beispiel aus extrem kurzen Sätzen bestehen, ohne Konjunktionen, in Augenblicken höchster Bedrohung sogar nur aus ein, zwei Worten. Kurze, schnelle Sätze erhöhen das Tempo.
Lang dahin mäandernde Sätze, die selbstverliebt mit vielen Einschüben spielen, und dabei beinahe marottenhaft oder sogar manisch im sprachlichen Werkzeugkasten nach Worten und Metaphern wühlen, können hingegen ein ganz anderes Bild erzeugen, dessen Wirkung man sich nur unter Schwierigkeiten entziehen kann – wenn überhaupt.
Unterschied Schreiben und Pen & Paper
Beim Pen & Paper bist du als Spielleitung alle Sinne der Charaktere. Da die Situation im Spiel oft chaotisch oder zumindest unübersichtlich sein kann, solltest du bei der Informationsvergabe generell großzügig sein. Redundanzen sind weit weniger ärgerlich als verpasste Informationen und Sackgassen in der Story.
Beim Schreiben hat man Zeit, die Beschreibungen auszuarbeiten. Am Spieltisch ist der Druck, konstant kreativ zu sein, viel höher. Bereite dich darauf vor, lege Listen an, halte Beschreibungen parat. Die Vorbereitung einer Sitzung dient dazu, dich beim Spielen selbst zu entlasten. Dabei gilt, mach genau so viel, dass du dich damit sicher fühlst. Du musst und kannst nicht auf alles vorbereitet sein – dann wäre es kein Pen & Paper!
Zudem hat man beim Schreiben mehr Kontrolle, da man alles selbst entscheidet. Beim Pen & Paper gilt es als Spielleitung auch darauf zu achten, dass alle am Tisch ihren Platz im Scheinwerferlicht bekommen – was schwierig ist, wenn du die ganze Zeit redest! Deshalb gilt noch mehr die Regeln, sich kurz zu fassen, auf die Mitspielenden zu vertrauen und mit wenigen Worten Bilder zu zaubern.
Ich hoffe, dass dieser Artikel dir dabei ein wenig hilft.
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