FranigoRolls

Ein kleiner Scherz im Titel, aber tatsächlich ist es häufig eine wichtige Frage, welches Regelsystem wir im Stream oder auf der Bühne verwende. Und es ist eine Frage, die mir häufig gestellt wird: Welches System habt ihr bei diesem oder jenem Event gespielt?

Manchmal ist es simpel, da vorgegeben: Baldur’s Gate Tales benutzt Dungeons & Dragons in der 5. Edition, Die Schwarze Katze auf der Buchmessenbühne wird mit Die Schwarze Katze gespielt, Berlin Noir ist eine Vampire: Die Maskerade-Runde, Avatar: Verborgene Kämpfe läuft mit Avatar Legends.

Aber selbst falls es zu einem Setting ein offizielles System gibt, ist das nicht immer die offensichtliche Wahl. Wenn es nicht gerade darum geht, ein System vorzustellen, sind mir manche Regelwerke einfach zu umfangreich oder komplex. Besonders, wenn es um einen OneShot geht, bei dem wir vielleicht drei Stunden spielen. Denn ein Aspekt beim Pen & Paper vor Publikum ist ja auch immer, dass dieses Publikum die Regeln zumindest erahnen kann, um zu verstehen, was die Würfelei bedeutet. Aber auch die Gruppe sollte im Spiel nicht ewig mit Regeln hadern – das ist meistens eher langweilig zum Zuschauen.

Deshalb greife ich bei solchen Runden gerne auf sehr einfache Regelsysteme zurück, die man fix erklären kann, und die dennoch das Spiel unterstützen. Inzwischen habe ich eine Reihe davon gebastelt und mehrfach verwendet, und stelle drei davon hier kurz vor. Alle Regeln sind dezidiert zur Benutzung, zum Hacken, Anpassen und Verändern freigegeben!

Die erste Frage ist immer: Was soll das System leisten? Von der Antwort hängt sehr viel ab. Dieser Tage, und vor allem im Stream, sind mir einfache Verständlichkeit und schnelle Ergebnisse der Würfe wichtig. Ich brauche selten ein ausgefeiltes Konflikt-, aka Kampfsystem.

Bei allen Systemen gilt, dass die Anzahl und Aufteilung der Fertigkeiten beliebig erweiter- oder reduzierbar ist. Man kann sowohl mit 3 (mental, physisch, sozial) Fertigkeiten als auch mit 30 oder mehr spielen, ganz nach Wunsch. Ich passe die Fertigkeiten immer an das Setting an. Im Western gibt es Schießen und Reiten und Lasso werfen, in der SF Hacking und Zero-G, und so weiter. Meist benenne ich sie auch entsprechend, gerade in Settings, die einen eigenen Slang haben.

Die Tödlichkeit hängt davon ab, was die Charaktere aushalten. Das kann viel oder wenig sein, je nachdem, ob es eher heldenhaft oder mehr Horror ist. Magie in diesen Systemen würde immer über Fertigkeiten und Spezialfertigkeiten geregelt werden.

Ein Aspekt, der manchmal untergeht: Vertrauen. Ich muss nicht jede Situation bis ins kleinste Detail in Regeln gießen, da mir meine Spieler*innen vertrauen, im Spiel selbst eine faire, zur Geschichte passende und diese vorantreibende Lösung zu finden. Wir erzählen kollaborativ eine Geschichte, wir spielen nicht gegeneinander, wir sind ein Team.

Powered by the Apocalypse

Inzwischen ein Klassiker, auf 2d6 basierend, mit mehr als nur binärer geschafft-oder-nicht-Mechanik. Ich baue gerne noch einen Twist ein, zum Beispiel in dem ein Pasch bei den Würfeln ein besonderes Ergebnis ist, quasi Kritischer Erfolg oder Fehlschlag. Wir brauchen allerdings keine Moves, was ja ein großer Teil von PtbA ist, sondern nehmen nur die Würfelmechanik.

Als kleines Beispiel hier das Mini-System, das wir bei den bisher drei Sitzungen von Cheat Code verwendet haben. Das System hat eine Spiral of Suck, also schlimmer werdende Abzüge, um die Tödlichkeit des Settings zu unterstützen. Es soll den Charakteren immer schlechter gehen, die Würfe sollen schwieriger bis unmöglich werden, das ist Teil des Konzepts. Die Spezialfähigkeiten sind oft PvP-orientiert, Boni auf Aktionen gegen andere Charaktere, oder Mali bei ihnen verteilen. Damit sollen sie das Spiel gegeneinander fördern, denn am Ende einer Runde überlebt immer nur ein Charakter.

Das System passt auf eine Seite, ist einfach zu erklären, und bietet dennoch genug Halt für einen klassischen OneShot.

Cheat Code-Regeln

Das System ist simpel, und wer schon mal ein Powered by the Apocalypse wie Thirsty Sword Lesbians oder Avatar Legends gespielt hat, wird schnell damit zurechtkommen. Gewürfelt werden zwei Sechseitige, zusammengezählt und darauf kommt noch der Wert der Fertigkeit. 10+ ist voller Erfolg, 7 bis 9 ist Erfolg mit Problemen, 2 bis 6 ist ein Fail. Besonderheit: Würfelt ihr einen Pasch, bitte ansagen! Das kann besonders fein, oder besonders nein sein. Das reimt sich, und was sich reimt, ist gut.

Fertigkeiten

  • Athletik: Körperliche Aktivitäten aller Art
  • Geschick: Ausweichen und dergleichen & körperliche Abwehr
  • Wissen: Gesammelt und hoffentlich nützlich
  • Willenskraft: Durchhaltevermögen & mentale Abwehr
  • Charisma: Andere beeinflussen
  • Empathie: Zwischenmenschliche Wahrnehmung & soziale Abwehr

(Cheat Code ist gemein, deshalb habe ich folgende Werte nach den Vorgaben der Spieler*innen verteilt: +3, +2, +1, +1, ±0, -1; die Werte durften danach noch umverteilt werden, falls sie nicht den Vorstellungen entsprachen)

Ihr habt 6 Slots für Konsequenzen. Ab 2 Konsequenzen habt ihr Abzüge von -2 auf alle Würfe, bei 4 sind -4, bei 6 seid ihr tot.

Dazu habt ihr alle ein Special, das euch erlaubt, hier und da Regeln zu beugen oder gar zu brechen.

Beispiele für Specials

  • Das wird ein wenig ziepen! Du kennst die Schwachstellen des menschlichen Körpers gut: Wenn du aktiv gegen jemanden agierst, darfst du bis zu zwei Mal pro Sitzung +2 auf einen Würfelwurf rechnen, nachdem du gewürfelt hast.
  • Küchenchefin! Du kannst gut Leute herumkommandieren. Einmal pro Sitzung kannst du einer anderen Person einen Befehl erteilen, den diese befolgt, bevor sie begreift, was sie tut. Damit kannst du niemanden in den Tod zwingen, wohl aber dafür sorgen, dass sie Dinge tun, die ihnen oder anderen schaden.
  • Messi! Du sammelst allen möglichen Kram auf. Einmal pro Sitzung kannst du in deinen Taschen einen kleinen Gegenstand finden, den du fast vergessen hattest, der dir aber direkt hilft.
  • Pech im Spiel, Glück in der Liebe! Du kannst anderen so schöne Augen machen, dass sie dir gerne helfen. Einmal pro Sitzung kannst du Konsequenzen aus einem Wurf auf eine von dir gewählte andere Person übertragen.

Talus

Das Talus-System basiert auf 3d6, hat dementsprechend weniger Ausschläge in die Extreme. Das wird dadurch kompensiert, dass vorab ausgewählter Würfel bei einer 1 oder 6 besondere Ergebnisse bringt. Die generelle Mechanik ist geschafft oder nicht geschafft, aber es gibt eine hohe Chance, dass dazu noch etwas passiert. Für noch mehr Action, kann man einfach schauen, ob zwei der drei Würfel die gleiche Augenzahl zeigen, und darauf basierend die Ergebnisse anpassen; allerdings muss man vorab festlegen, bei welchen Paschs es positiv, und bei welchen es negativ ist. Hoch/niedrig, gerade/ungerade, das hat Auswirkugen darauf, ob negative Ereignisse vor allem bei Fehlschlägen auftreten, und umgekehrt, oder ob es sich anders verteilt.

Als Beispiel hier eine Version, die wir für einen Mad Max-OneShot benutzt haben. Auch hier passt es auf eine Seite, die Würfelmechanik ist einfach zu verstehen, sorgt aber für jede Menge wilde Situationen. Die Konsequenzen sind eher wie Trefferpunkte, es gibt keine Abwärtsspirale. Bei Mad Max können auch verwundete Charaktere noch große Taten vollbringen.

FURIOS – DIE REGELN

Gewürfelt werden immer 3W6. Ihr zählt zusammen und rechnet noch einen der Werte oben darauf. Eine Besonderheit: Ein vorher festgelegter Würfel ist besonders: Zeigt er eine 1 passiert etwas für euch unangenehmes; bei einer 6 habt ihr besonderes Glück! Das hat nicht direkt etwas mit geschafft oder nicht geschafft zu tun, sondern ist meistens ein weiterer Faktor, der ins Spiel kommt.

FÄHIGKEITEN

  • Athletik: Alles körperliche, Rennen, Springen, Ausdauer, etc.
  • Kommunikation: Alles soziale, Überzeugen, Lügen, etc.
  • Organmechanik: Lebewesen zusammenflicken.
  • Resistenz: Widerstandskraft, Mischung auf physisch und psychisch.
  • Schatten: Heimlichkeit, ungesehen, ungehört, etc.
  • Schießen: Mit Fernwaffen angreifen, von Armbrüsten bis hin zu MGs.
  • Schlagen: Leute verhauen, sowohl mit Fäusten als auch mit Nahkampfwaffen.
  • Schwarzdaumen: Reparatur von Mechanik & Elektrik, vor allem Fahrzeuge.
  • Vollgas: Autos, Motorräder, Trucks, etc fahren.
  • Wahrnehmung: Die Sinne, inklusive der Siebte Sinn.

(Ich habe auch hier die Spieler*innen gefragt, was Stärken und Schwächen ihrer Charaktere sind, und dementsprechend folgende Werte verteilt (die danach noch verschoben werden konnten, falls sie nicht den Vorstellungen entsprachen): +4, 2x +3, 2x +2, 3x +1, ±0, -1

Für kompetentere Charakter kann man die die Werte einfach hochsetzen, für gefährlicheres Spiel entsprechend senken)

KONSEQUENZEN

Ihr habt 5 Konsequenzen. Das kann alles sein, von Verletzungen über Stress bis hin zu Scham. Wenn ihr eine Konsequenz bekommt, macht einen Strich – sind 5 voll, kippt euer Charakter um!
Konsequenzen können auch entfernt werden, meist durch einen Würfelwurf oder eine Sonderfähigkeit.

SPEZIALFERTIGKEITEN

Alle Charaktere haben eine besondere Fertigkeit, die auf dem Hintergrund des Charakters basiert.

Beispiele für Spezialfertigkeiten

  • Bullseye! Wenn du Zeit hast, zu zielen, kannst du auf doppelte Entfernung zielsicher schießen. Da du zielsicher dort triffst, wo es weh tut, wirkt Rüstung nur halb gegen dich, wenn du mit Schießen angreifst.
  • Fang it! Wenn du mit Vollgas waghalsige Manöver fährst, kannst du Stunts durchziehen, die niemand sonst schafft. Dazu machst dein Fahrzeug doppelten Schaden, wenn du damit etwas oder jemanden rammst.
  • I am Tree! Du kannst doppelt so viel tragen wie andere, und bei Kraftakten schier übermenschliches leisten. Dazu machst du doppelten Schaden, wenn du mit Schlagen angreifst.
  • Surprise, MF‘er! Hast du ein wenig Material zur Hand, kannst du Fallen und Bomben basteln, die doppelte Wirkung haben. Dazu brauchst du nur die halbe Zeit, um etwas zu reparieren.

d100

Für einige Horrorszenarien habe ich ein sehr simples d100-System adaptiert. Der Hauptgrund dafür war die Nähe zu Call of Cthulhu, das ja auf dem d100 basiert. Die Regeln beinhalten eine einfach Korruptionsmechanik, da das in dem Abenteuer Das Grauen aus der Tiefe benötigt wurde.

Diese Regeln beinhalten keine Spezialfähigkeit, da das nicht zum Setting und der Atmosphäre gepasst hätte.

Das Grauen aus der Tiefe – Regeln

Es wird mit einem d100 gewürfelt, dabei muss der eigene Wert unterboten werden; genau getroffen zählt als Erfolg. Es gibt drei Attribute, mit denen man versuchen kann, Angriffen und sonstigen Einflüssen zu widerstehen, sowie eine Reihe von Fertigkeiten, mit denen man aktiv handelt.

Auf die Attribute werden 80, 60 und 40 als jeweiliger Wert verteilt. Für die Fertigkeiten darf man insgesamt 400 Punkte verteilen; dabei darf kein Wert unter 20 oder über 80 sein.

Mental: Widerstand gegen geistige Einflüsse jeder Art

  • Bildung: Alles Wissen
  • Erste Hilfe: Körper zusammenflicken
  • Wahrnehmung: Aufmerksamkeit, die Sinne, etc.

Physisch: Widerstand gegen körperliche Bedrohungen

  • Athletik: Klettern, Rennen, Springen, etc.
  • Kämpfen: Schießen und Schlagen
  • Schleichen: Sich leise bewegen und verbergen

Sozial: Widerstand gegen soziale Beeinflussung

  • Empathie: Personen einschätzen
  • Lügen: Die Unwahrheit glaubhaft vortragen
  • Überzeugen: Personen überzeugen, ob durch geschickte Argumente, Drohungen, etc.

Dazu gibt es 6 Slots für Konsequenzen. Das kann alles von Verletzungen über Angstzustände bis hin zu Scham sein. Sind die sechs Slots gefüllt, ist der Charakter zumindest für den Moment ausgeschaltet.

Die 6 Konsequenzen dienen auch für die Korruptionsmechanik. Verfällt ein Charakter den Einflüssen des Grauens, füllen sich die Slots langsam mit entsprechenden Konsequenzen. Sollten alle 6 Slots gefüllt sein, und mindestens 3 davon durch Korruption, wird der Charakter zu wenig mehr als einer Marionette des Grauens, allein von den Gedanken beseelt, es durch blutige Taten aufzuwecken.

Manche Konsequenzen können wieder entfernt werden, meist dank Hilfe anderer. Versorgte Wunden, gelinderte Ängste und dergleichen. Das liegt im Ermessen der Spielleitung.

Andere Systeme

Ein weiteres System, das ich schon mehrfach verwendet habe, ist Blades in the Dark, beziehungsweise Ableger davon, die gemeinhin Forged in the Dark genannt werden. Ein Würfelpoolsystem, das eng mit dem Setting verzahnt ist, und sich gerade deshalb sehr gut in ähnlichen Settings nutzen lässt. Es ist generell gut anzupassen, und es gibt inzwischen viele Varianten für unterschiedliche Settings. Dazu ist der Support für virtuelle Tabletops sehr gut, weshalb man es leicht in den Stream einbinden kann.
Wir haben Blades in the Dark in unterschiedlichen Ausprägungen für Hextech Havoc, Schatten über Ketterdam und die Magische Bibliothek verwendet.

Oft breche ich Regelwerke auch runter, bevor ich sie im Stream verwende. Fallout, Cyberpunk, und andere habe ich zwar grob verwendet, aber bei weitem nicht in all ihrer Komplexität.

Regelsysteme, die mir auch im Stream gut gefallen haben, waren Vaesen, Trail of Cthulhu, Catthulhu und die verschiedenen Ausprägungen von Powered by the Apocalypse-Systemen, wie Avatar Legends, Thirsty Sword Lesbians & Monsterhearts.

Dazu gibt es auch SL-lose Spiele wie Gegen das Monster, die man ohne viel Vorbereitung auch mit Neulingen spielen kann.

Final

Alle drei Systeme eint, dass sie auf eine Seite passen, sich in ein paar Minuten erklären lassen, und für Expert*innen und Neulinge gleichermaßen einfach zu verstehen sind. Eine Handvoll Fertigkeiten an das angepasst, was vermutlich im Spiel gebraucht | gewünscht wird. Eine endliche Anzahl an Konsequenzen | Trefferpunkten, für eine klare Bedrohung. Besondere Mechaniken, um entweder den Hintergrund ins Spiel zu bringen, oder den Anteil an Chaos hochzuschrauben.

Wie eingangs erwähnt, dass alles hängt davon ab, was man eigentlich spielen möchte. Manchmal ergibt sich das System direkt daraus. Aber falls nicht, kann man ein bestehendes System an die Bedürfnisse der Runde anpassen.

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