FranigoRolls

Der erste Schritt ist oft der schwerste. Deshalb schauen wir uns an, wie man Abenteuer für Pen & Paper schreibt – für sich, und für andere. Denn es ist ein großer Unterschied, ob man nur selbst aus den Aufzeichnungen schlau werden muss, oder ob vollkommen fremde Menschen damit eine gelungene Session oder zehn hinbekommen sollen. Dieser Artikel dreht sich um absolute Grundlagen. Zum Thema Abenteuer schreiben kann man ganze Bücher verfassen; das hier soll nur eine erste Einführung sein.

Die Idee

Beim Anfang hat das Schreiben von Abenteuern Parallelen zum Schreiben von Geschichten: Für mich beginnt es mit einer Idee. Das kann alles mögliche sein, ist dabei selten schon eine ausformulierte Grundidee, sondern eher eine Melange aus Charakteren, Orten, Szenen und mehr. Um daraus ein Abenteuer – oder eine Geschichte! – zu formen, muss es konkreter werden. Damit ich keine Teile verliere, lege ich mir meist Notizen an, in denen ich erst einmal alles festhalte, was mir so dazu in den Sinn kommt. Wie bei vieler Vorbereitung für Pen & Paper gilt auch hier, dass es kaum überflüssige Arbeit gibt, weil man das, was man vielleicht nicht aktuell verwenden möchte, später aufgreifen kann.

Die Notizen können so kurz oder ausführlich sein, wie gewünscht. Inzwischen lege ich sie meist so an, dass ich sie auch dann noch verstehe, wenn ich sie nach längerer Zeit wieder ansehe, also eher länger und ausführlicher. Daraus kristallisiert sich hoffentlich irgendwann eine zentrale Idee – der Kern des Abenteuers oder der Geschichte. Mit dieser Basis kann man den Rest ausarbeiten.

Der Konflikt

Wie Geschichten im Allgemeinen, leben Abenteuer von Konflikten. Beginnen wir also mit dem zentralen Konflikt: Warum sollte die Gruppe sich auf das Abenteuer einlassen? Was ist das zugrundeliegende Problem? Was die Aufgabe? Bei Abenteuern für die eigene Gruppe kann man das häufig an den Charakteren und ihren Hintergrundgeschichten aufhängen. Persönliche Motivation funktioniert fast immer besser als allgemeine. Schreibt man für andere Gruppen, kann man einige Vorschläge für Hooks machen, also für die Haken, mit denen man sich die Aufmerksamkeit der Charaktere angelt.

Eine gute Motivation der Charaktere ist wichtig. Ein starker Konflikt trägt viel dazu bei. Das kann sein, weil die Bedrohung sehr groß ist, oder sehr persönlich. Beides funktioniert für gewöhnlich gut. Eine gute Opposition trägt dazu ebenfalls bei. Starke Antagonist*innen, ob nun Individuen oder Organisationen, die den Charakteren das Leben schwer machen.

Das ist auch der nächste Schritt: Die Überlegungen, was die Pläne der Gegenseite beinhalten, was sie tun, um sie umzusetzen, und was geschieht, wenn die Gruppe nicht handelt. Denn daraus ergeben sich oft die ersten Aufgaben der Charaktere, und damit die ersten Szenen im Abenteuer. Ich mache mir sowohl zu NSCs als auch zu Organisationen klare Notizen, nicht nur zu Hintergrund, Aussehen und den Zielen, sondern auch zu Temperament, Vorgehensweisen und möglichen Reaktionen.

Die Struktur

Abenteuer und Geschichten benötigen eine Struktur. Es gibt zu beiden viele Erklärungen, Theorien und Anleitungen. Für mich stellt sich jedoch als erstes die Frage: Wie tief in Detail muss ich gehen? Denn davon hängt bei Aufbau und Struktur viel ab. Ein simples Abenteuer, bei dem ich aus den Grundideen am Tisch improvisiere, benötigt auch keine komplexe Struktur. Ein vielschichtiges Abenteuer, mit vielen NSCs, Intrigen, Events und Schauplätzen hingegen sollte mit einer klaren Struktur versehen werden.

Eine Gefahr bei einer so festen Struktur ist, dass man der Gruppe die Handlungsfreiheit nimmt – das gefürchtete Railroading. Dafür müssen wir den Begriff kurz definieren, denn wie so viele Begriffe im Pen & Paper gibt es keine allgemeingültige Definition, und viele empfinden Railroading sehr unterschiedlich. Für mich steht Railroading nicht für eine simple von A nach B nach C-Struktur, also ein gradliniges Abenteuer, sondern darin, dass die Entscheidungen der Charaktere wenig bis keinen Einfluss auf die Entwicklung der gemeinsamen Geschichte haben. Das möchte ich unbedingt vermeiden, deshalb wähle ich meistens Abenteuerstrukturen, die das nicht vorantreiben.

Jetzt stellt sich die Frage des Publikums: Für wen ist das Abenteuer gedacht. Für mich selbst schreibe ich ganz anders als für andere Menschen. Und auch da gibt es Unterschiede: Richtet es sich an Neulinge oder ein erfahrenes Publikum? Ersteren würde ich immer mehr Struktur zur Unterstützung geben, bei Letzteren auf ihre Erfahrung vertrauen.

Die einfachste Struktur ist wohl die gerade Linie vom Anfang zum Ende, eventuell über einige Stationen. Daraus wird allerdings auch schnell eine Railroad, weil es wenig Entscheidungsspielraum gibt. Ich persönlich bevorzuge offenere Strukturen, und möchte eine einfache, aber effektive vorstellen.

Die Essenz

Mit diesen Grundlagen hat man auch schon die Essenz des Abenteuers: Einen Konflikt und Kräfte, die diesen vorantreiben, sowie eine Struktur, der das folgt. Vieles ergibt sich daraus: Mögliche Schauplätze, Gegner*innen, Gegenmaßnahmen und Reaktionen und dergleichen aus den Plänen, Vorgehensweisen und dem Hintergrund der Antagonist*innen. Davon kann man nun das ausarbeiten, was einem wahrscheinlich erscheint, beziehungsweise, worauf man Lust hat. Denn natürlich lassen sich die Wege einer Gruppe auch steuern: Wenn ein bestimmter, wichtiger Gegenstand oder NSCs nur an einem Ort ist, wird dieser Ort sehr wahrscheinlich besucht.

Wie hält man diese Essenz am besten fest? Ich nutze dafür eine relativ simple Struktur:

  • Hintergrund: Eine kurze Beschreibung des Konflikts und der beteiligten Kräfte. Praktisch die Antwort auf die Frage: Warum geschieht dieses Abenteuer überhaupt?
  • Plot Points: Das ist ein weiteres Feld, das kann von Beschreibungen von wichtigen Locations über Events, die passieren – falls die Gruppe sie nicht verhindert! – bis hin zu möglichen Reaktionen auf Aktionen der Gruppe gehen. Eine einfache Abfolge von Plot Points ist die oben schon erwähnte gradlinige Struktur von A nach B nach C. Bei komplexeren Strukturen achte ich darauf, dass sie für mich Sinn ergeben, ob ich nun nach Locations und Events sortiere, oder eine Chronologie der (wahrscheinlichen) Ereignisse anlege.
  • Dramatis Personae: Alle beteiligten Kräfte, das reicht von einzelnen Personen bis hin zu Organisationen. In diesen Bereich packe ich auch Listen von Namen für NSCs, die ich nicht vorbereitet habe, falls die Gruppe anders agiert als geplant.

Die Anordnung der Informationen dabei ist wichtig, und für mich selbst habe ich den Grundsatz, sie lieber einmal zu viel als zu wenig aufzuschreiben. Also zum Beispiel den Plan einer Antagonistin nicht nur im Hintergrund festzuhalten, sondern auch in ihrer Beschreibung im Dramatis Personae, und vielleicht sogar in den Plot Points – dort vermutlich aufgeteilt auf die einzelnen Bereiche.

Vorgaben versus Improvisation

Bei vielen Abenteuern, die ich selbst schreibe, achte ich darauf, nicht die Problemlösung der Gruppe vorwegzunehmen. Sprich, ich präsentiere ein Problem, einen Konflikt, und schaue im Spiel, wie damit umgegangen wird. Darauf reagiere ich dann entsprechend den Überlegungen zu den Kräften. Das gibt mir und der Gruppe sehr viele Freiheiten, aber benötigt auch ein gerüttelt Maß an Improvisation. Gerade für neue Spielleitungen wirkt das manchmal abschreckend.

Das kann man abfangen, indem man sich einige Problemlösungen vorab überlegt, sie jedoch jeweils mit Kosten belegt. Muss die Gruppe einen verfluchten Gegenstand loswerden, könnte es mehrere Möglichkeiten dafür geben – doch jede hat ihren eigenen Preis! Das sorgt dafür, dass die Wege vorgegeben(er) sind, aber trotzdem echte Entscheidungen möglich sind. Denn das ist für mich eine Crux beim Spielleiten, Spielen und Vorbreiten: Die Optionen bei einer Entscheidung können durchaus eingeschränkt sein, solange die Entscheidung selbst Konsequenzen hat!

Falls man also detaillierter vorbereiten möchte, ob nun um sich im Spiel eine sichere Basis zu schaffen, oder weil man nicht nur für sich selbst schreibt, sollte man darauf achten, dass auch die vorgeplanten Teile Handlungsspielraum und echte Entscheidungen bieten. Und für den Fall der Fälle muss man sich trotzdem darauf einstellen, dass alles ganz anders kommt als gedacht. Denn wenn die Gruppe eine gute Idee hat, auf die man selbst nicht gekommen ist, fühlt es sich sehr unschön an, wenn man sie blockiert, nur weil es nicht im Abenteuer steht.

Denn die gemeinsame Geschichte wird am Tisch erzählt!  (oder im VTT, VC, im Forenchat … ihr wisst schon)

Fazit

Beim Schreiben eines Abenteuers bewegt man sich im Spannungsfeld zwischen Vorbereitung und Improvisation, zwischen Planung und Spontaneität. Diese Spannung lässt sich aber auflösen, und einer mitreißenden Geschichte steht dann nichts mehr im Weg.

Selbstverständlich gibt es noch viele weitere Tipps, Tricks, Kniffe, Strategien und dergleichen mehr. In zukünftigen Artikeln schauen wir uns einzelne Aspekte genauer an.

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