FranigoRolls

Manchmal ist ein Abenteuer nur eine Sammlung von Notizen. Manchmal ist es ein hübsches Hardcover, das sich gut im Regal macht. Wichtig ist, dass die Struktur und Organisation einen Sinn ergeben, und das ist unabhängig von der Präsentation. Um einen Einstieg in dieses komplexe Thema zu geben, zeige ich einige Strukturen auf, die ich selbst verwende.

Das Publikum

Die erste Frage, die sich stellt, ist simpel: An wen richtet sich das Abenteuer. An die Spielleitung, na klar, aber es ist eine Ideensammlung für dich selbst, oder soll jemand anderes ohne Einblick in die eigenen Denkprozesse es leiten? Letzteres benötigt deutlich mehr Struktur.

Aber auch, wenn du nur für sich selbst aufschreibst, kann es sehr hilfreich sein, eine sinnvolle Struktur zu wählen. Zum Einen unterstützt das beim Leiten, und je besser du dich selbst unterstützt, desto freier ist der Kopf und du kannst mehr Energie in Kreativität stecken. Zum Anderen willst du das Abenteuer vielleicht in Zukunft noch einmal leiten, und je mehr Zeit vergeht, desto weniger deutlich bleiben eigene Denkprozesse in Erinnerung. Kurz vor einer Sitzung reicht ein „Orks und Gänse!“ vielleicht aus, nach fünf Jahren ruft es vielleicht nur noch ein Stirnrunzeln hervor.

Die Basis

Ein Abenteuer ist kein Roman. Es geht nicht um Spannungsbögen und Cliffhanger – zumindest nicht für deine intendierte Zielgruppe. Das ist die erste, wichtige Regel: Du schreibst für die SL, und die SL benötigt alle Informationen, um ordentlich leiten zu können. Das Abenteuer selbst verbirgt vielleicht Infos, lockt in falsche Richtungen, täuscht und tarnt, aber eben die Gruppe, nicht ihre Spielleitung. Also, schreib keinen Teaser, sondern eine komplette Zusammenfassung!

Deshalb ist es sinnvoll, sich zu Beginn Gedanken über einen sinnvollen Fluss von Informationen zu machen. Welche Infos sind wichtig, wie bauen sie aufeinander auf, wie und in welcher Reihenfolge sollten sie präsentiert werden? Ganz grundsätzlich solltest du zu Beginn einen Abriss des Plots samt aller Hintergründe geben, ohne Cliffhanger, voll gespoilert! Erkläre, was bislang geschehen ist, wie es zu dem Abenteuer kommt. Welche Figuren und Organisationen sind darin verwickelt? Welche Rolle hast du für sie vorgesehen, was sind ihre Motivationen und Pläne?

Auch eine komplexe Murder Mystery-Story sollte für die SL kein Mysterium sein, egal wie sehr die Gruppe dann am Plot verzweifelt.

Je nach Abenteuer muss das kein langer Text sein, oft genügen ein, zwei Absätze. Es soll eine Zusammenfassung sein, die der Spielleitung schnell die wichtigsten Eckpunkte und Kerndaten des Abenteuers aufzeigt.

Informationsfluss

Man kann das gar nicht oft genug sagen: Der Informationsfluss ist das A und O im Abenteuer. Du willst, dass die nötigen Infos jederzeit ohne großen Aufwand gefunden werden können. Deine Prosa ist zweitrangig, dein Ziel ist es, dass jemand dein Abenteuer sauber und ohne ständiges Suchen leiten kann.

Versteck die wichtigen Infos nicht in langen Fließtexten. Wenn es zum Beispiel etwas auffälliges in einer Location gibt, pack diese Info an den Anfang der Beschreibung. Blumige Beschreibungen als Unterstützung der Spielleitung sind fein, aber die wichtigen Informationen dürfen nicht im Blumenmeer untergehen!

Dazu kannst du auch sehr technisch werden. Eine klare Formatierung ist sehr hilfreich. Bullet Points am Anfang einer Beschreibung mögen weniger schön als zwei Seiten Short Story sein, aber in der Liste finden deine Leser*innen die wichtigen Informationen ganz sicher schneller als in der Story. Die Prosa kannst du ja danach anbringen.

Gerade wenn es keine Platzprobleme gibt, ist Redundanz ein gutes Mittel. Schreib die Infos auch zwei oder drei Mal in den Text, dorthin, wo sie benötigt werden. Beim ersten Auftauchen oder in der Zusammenfassung so ausführlich wie nötig, an weiteren Stellen genügt dann ein kürzerer Hinweis, um es wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Überleg dir einfach, wo du selbst die Informationen im Text hättest, wenn du das Abenteuer mit kurzer Vorbereitungszeit leiten müsstest. Klar, du weißt, dass die Nymphe unter dem Moos ein zweites Antlitz hat, aber erinnert sich die Spielleitung auch daran, wenn das beim Aufeinandertreffen nicht noch einmal explizit steht.

Informationsdichte & -qualität

Neben dem Informationsfluss solltest du auch die Informationsdichte bedenken. Ein guter Informationsfluss sorgt meistens für eine ebensolche Dichte, aber es kann schnell passieren, dass die Infos Überhand nehmen. Es ist schwierig, da allgemeingültige Tipps zu geben, aber bedenke immer, dass wir Menschen nicht darauf ausgelegt sind, hundert kleine Details parat zu halten. Die Qualität der Infos spielt eine große Rolle, wichtigere Infos sollten deutlicher präsentiert werden.

Der Schädel der gewaltigen Seeschlange an der Wand des Thronsaals ist vermutlich wichtiger als die Farbe der Vorhänge vor den Fenstern. Indem du die Infos in einer bestimmten Reihenfolge präsentierst, kannst du sehr stark die Atmosphäre und Stimmung lenken, und der SL wichtige Hilfsmittel für genau das in die Hände geben. Du legst damit auch fest, was wichtig und was nebensächlich ist.

Hier findest du einen Artikel zu Beschreibungen, der auch beim Schreiben von Abenteuern hilfreich sein kann.

Plot Points

Bei der eigentlich Struktur des Abenteuers arbeite ich oft mit Plot Points. Das ist für mich ein sehr weitgefasster Begriff, der vieles beinhalten kann, von Szenen oder Locations über optionale Events bis hin zu Reaktionen von NSCs oder Organisationen. Andere sehen den Begriff enger, aber ich empfinde das Schreiben von Abenteuern als relativ komplex. Der Begriff kommt aus dem Schreiben, vor allem dem Drehbuchschreiben, und bezeichnet einfach gesagt einen Punkt, an dem die Handlung die Richtung wechselt. Da wir in unseren Abenteuern keine feste Handlung schreiben, sind Plot Points für uns Punkte, an denen das Abenteuer in eine neue Richtung gehen könnte.

Grundsätzlich sind Plot Points Dinge, von denen ich annehme, dass sie im Spiel vorkommen könnten. Konjunktiv, sehr wichtig. Es kann sein, muss aber nicht in jedem Fall. Sonst nimmst du der Gruppe die Handlungsfreiheit, was schnell zu Frust führen kann.

Allerdings bedeutet das nicht, dass es nicht auch fixe Punkte im Abenteuer sein können. Wenn die Eröffnungsszene der Angriff eines Drachen auf ein Dorf ist, oder das Anwerbungsgespräch mit der Exec von der Corp, dann ist diese Szene gesetzt. Allerdings ist ihr Ausgang eben nicht vorherbestimmt.

Eine simple Aneinanderreihung von Plot Points reicht zum Beispiel für eine sehr lineare Abenteuerstruktur. Ein Beispiel dafür ist die klassische Schnitzeljagd, bei der jede Station, also jeder Plot Point zum nächsten führt. Für die ersten eigenen Abenteuer sind solche Strukturen vollkommen ausreichend. Sobald du dich sicherer fühlst, kannst du beginnen, das Ganze aufzupeppen. Statt dass ein Plot Point nur zum nächsten führt, kannst du zum Beispiel verschiedene Informationen einbauen, die der Gruppe Entscheidungsmöglichkeiten für mehrere Wege bieten.

Ein ganz simples Beispiel: Ein NSC gibt den Hinweis auf den nächsten Schritt der Gruppe. Aber statt einfach darauf zu deuten, könnte es zwei Optionen geben: Den schnellen Weg, der aber gefährlicher ist, oder den längeren Weg, der weniger Risiken birgt. Du kannst auch unterschiedliche Ziele geben. Vielleicht sind die benötigten Informationen an mehreren Orten erhältlich, und die Gruppe kann überlegen, ob sie irgendwo einbrechen, oder sich in Verhandlungen mit einer gefährlichen Organisation verstricken möchte.

Wichtig für dich und für die SL ist, dass diese Wege, Optionen und Informationen sinnvoll präsentiert werden.

Unterschiedliche Plot Points

Generell können diese Punkte alles im Abenteuer sein, und die Übergänge sind oft fließend. Aber ganz grob unterscheide ich für mich diese Arten:

  • Szenen: Manchmal gibt es fixe Szenen, gerade zu Beginn eines Abenteuers.
  • Events: Das sind oft flexible Ereignisse, die passieren können, aber nicht müssen.
  • Locations: Eine Raumstation, eine Villa, ein Dungeon. Locations können sehr gut mit Szenen oder Events verknüpft werden, zum Beispiel findet in der Villa ein Fest statt, oder die Raumstation wird angegriffen. Bei Systemen, die kampflastiger sind, und gut mit Karten funktionieren, wie zum Beispiel Dungeons & Dragons, kann man Locations sehr gut en Detail vorbereiten.
  • NSCs: Ich habe fast immer ein Dramatis Personae irgendwo im Abenteuer, in dem ich alle wichtigen NSCs aufliste und mit kurzen Beschreibungen versehe. Aber manche NSCs sind ihre eigenen Plot Points, sei es nun durch ein Treffen oder auch einen Kampf.
  • Reaktionen: Oft überlege ich mir vor dem Abenteuer, wie die involvierten NSCs und Organisationen auf bestimmte Handlungen der Gruppe reagieren – oder auch, wie sie reagieren, falls gar nichts geschieht! Das kann direkte Interaktion mit der Gruppe sein, zum Beispiel ein Überfall (das geht dann in Richtung Event), oder es geschieht im Hintergrund, vielleicht sogar komplett unbemerkt von der Gruppe.

Je freier das Abenteuer, desto wilder vermutlich die Mischung der Plot Points. Klassische Kaufabenteuer folgen naturgemäß oft einer rigideren Struktur, bei der es von einem Plot Point zum nächsten geht. Für sich selbst kann man einfacher Freiheiten lassen, da man auf der Basis der Vorbereitung improvisieren kann. Es bleibt ein Spannungsfeld zwischen Vorbereitung und Improvisation.

Formalitäten

Ich ordne Plot Points je nach Abenteuer unterschiedlich an. Ein simples Beispiel wäre

  1. Einleitung / Zusammenfassung
  2. Szenen / Events / Locations
  3. Reaktionen
  4. NSCs / Organisationen

Oft gruppiere ich ähnliche Bereiche zusammen, damit ich sie schnell in meinen Aufzeichnungen finde. Wenn ich alle NSCs im Dramatis Personae habe, und alle Locations in einer anderen Sektion, muss ich nicht lange suchen. Wichtig für mich, und vor allem, wenn man für andere schreibt: Eine klare Struktur & sinnvolle Überschriften! Wieder einmal, ein Abenteuer ist kein Roman, sondern das Hauptaugenmerk sollte auf der Vermittlung der benötigen Informationen liegen. Mach es deinen Leser*innen einfach, sie zu finden.

Du kannst und solltest mit Formatierungen arbeiten. Hebe wichtige Informationen im Text hervor, markiere verschiedene Fraktionen mit unterschiedlichen Farben. Überschriften, Absätze, Spalten, Einschübe, Info-Blöcke, all das kannst du nutzen, um durch dein Abenteuer zu leiten, und die wichtigen Informationen an den richtigen Stellen zu platzieren, und das Lesen und Verständnis zu erleichtern.

Die Metaebene

Es ist absolut legitim, als Autor*in direkt die Spielleitung anzusprechen. Du kannst an wichtigen Stellen darauf hinweisen, dass sie wichtig sind. Du kannst Tipps anbringen, wie eine Szene gestaltet werden sollte. Du kannst deine Hintergedanken zu Plot Points offenlegen, zum Beispiel warum du sie für wichtig hältst, oder welche Rolle sie in dem Abenteuer spielen. Informationen, die nicht in starre Muster wie Beschreibungen passen, die eben auf die Metaebene wechseln.

Auch hier wieder ist Formatierung dein Freund. Setz solche Passagen klar ab und mach deutlich, dass du dich direkt an die Spielleitung wendest.

Fazit

Eine saubere Struktur und ein klarer Informationsfluss machen es viel leichter, ein bestehendes Abenteuer zu leiten. Wie diese Struktur genau aussieht, ist auch individuellen Vorlieben geschuldet, aber grundsätzlich solltest du immer daran denken, dass es vor allem um die Vermittlung von Informationen geht.

Als Beispiele gibt es auf dieser Seite zwei einfache Abenteuer, die ich für The One Ring geschrieben habe, Blood in the WatersOf Ghosts and Goblins. Ich habe mich bei ihnen an der bestehenden Struktur der Abenteuer der ersten Edition von The One Ring orientiert, die recht gut funktioniert.

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