Klingt wie ein Kaiju-Kampf, ist aber ganz grob die Frage, wie viel Freiheiten die Gruppe bei einem Pen & Paper hat.
Ich bin kein Freund von kategorischen Aussagen, und habe im Laufe vieler Diskussionen um Rollenspielthemen gelernt, dass sich die Definitionen der Begrifflichkeiten bei vielen Menschen ein wenig bis sehr unterscheiden. Um Missverständnissen vorzubeugen, lege ich deshalb zuerst einmal mein Verständnis dieser beiden Begriffe dar.
Sandbox
Der Spielkasten. Man steigt hinein und entscheidet eigenständig, was man tun möchte. Die Welt kann groß und gefährlich sein, und wenig Rücksicht auf die Erfahrung oder Macht der Charaktere nehmen. Wer als Neuling in den Hort eines uralten Drachen stolpert, muss halt sehen, wie man überlebt.
Eine klassische Sandbox ist der Hexcrawl, also eine Karte mit Hexfeldern voller Abenteuer und Überraschungen, die nach eigenem Gusto erkundet werden kann.
Railroading
Das Abenteuer verläuft auf Schienen. Es geht von A nach B nach C, der Ablauf ist mehr oder weniger vorgegeben, die Entscheidungsmöglichkeiten begrenzt. Viele vorgefertigte Abenteuer funktionieren nach diesem Prinzip, da sie eine bestimmte Geschichte erzählen wollen.
Die Problematik
Sandbox und Railroading werden oft als zwei Enden eines Spektrum gesehen, als Gegensätze. Da steige ich schon aus, weil die Thematik komplexer ist. Eine detailliert vorbereitete Sandbox kann in jedem einzelnen Aspekt wie eine Railroad sein. Ein railroadiges Abenteuer kann wichtige, tiefgehende Entscheidungen beinhalten.
Grundsätzlich sind es unterschiedliche Designphilosophien, aber es fällt mir schwer, das immer so einfach und praktisch in Kästchen zu ordnen. Eine Railroad mit viel Improvisation kann sich freier anfühlen als eine Sandbox, bei der die einzelnen Encounter durchdefiniert sind, und wenig Handlungsspielraum lassen.
Viele Abenteuer haben auch ganz simpel unterschiedliche Anteile. Hier ein wenig Railroad, dort eine kleine Sandbox.
Ein großes Problem ist, das in beiden Fällen oft simpel schlechte Beispiele genutzt werden. Ja, es gibt üble Railroads, die gar keine Freiheit lassen. Oder Sandboxes, die schlecht designt sind und damit doch in bestimmte Richtungen zwingen. Aber so wie man ein Genre nicht an den schlechtesten Vertretern messen sollte, bringt es der Debatte wenig, wenn man sich nur auf diese Extreme fokussiert.
Dazu kommt noch der Social Contract, als die vorab definierten oder unausgesprochenen Regeln einer Gruppe. Eine Railroad mag weniger Entscheidungsmöglichkeiten bieten, aber wenn die Gruppe genau das möchte, sich auf eine epische Story geeinigt hat, verschwindet das hinter dem Suspension of Disbelief – den wir alle beim Pen & Paper anwerfen!
Dieser Aspekt wird sehr gerne unterschätzt, und oft auch nicht dezidiert besprochen, ist meiner Erfahrung nach aber extrem wichtig. Wir alle haben unterschiedliche Erfahrungen, Herangehensweisen, Wünsche, Vorstellungen, Ziele, Sorgen und so weiter. Das beste Abenteuer, ob nun Sandbox oder Railroad, wird nicht zünden, wenn die Erwartungen und Stile zu unterschiedlich sind.
Der vorher erwähnte Suspension of Disbelief ist auch ein wichtiges Werkzeug, um gemeinsam Geschichten erzählen zu können. Wie im Kino oder bei einem guten Buch muss das Hirn manchmal ausgeschaltet werden – selten bewusst -, um die Geschichte zu genießen. Beim Pen & Paper ist es nicht anders. Nein, wir sind keine Airship Pirates im Kampf gegen das finstere Imperium, wir sitzen um den Tisch und bestellen gleich Pizza. Aber wenn das eigene Luftschiff brennt, und die Horden über die Reling branden, wollen wir mitgerissen werden.
Es kann sehr leicht fallen, den vorgegeben Pfad zu beschreiten, wenn es richtig erscheint. Im Gegenzug wird unser Suspension of Disbelief zerstört, wenn wir die vorgegebenen Entscheidungen nicht mittragen können.
Vor- und Nachteile
Entscheidungen sollten im Pen & Paper wichtig sein, ihre Konsequenzen uns begleiten. Ob jetzt kleinere, wie die Auswahl der Aktionen in einem Kampf, oder die großen, mit wem arbeite ich zusammen, wem vertrauen wir, wollen wir die Welt retten oder in den Abgrund stoßen?
Das Konzept der Sandbox setzt Entscheidungsfreiheit an erste Stelle. Man ist frei darin, wohin man geht, welche Abenteuer man sich sucht. Gleichzeitig ist auch diese Freiheit natürlich eine Illusion, denn die Welt, das Setting, die Vorbereitung der Spielleitung, das Improvisationstalent und vieles mehr schränken sie ein. Am Ende ist man in jedem Pen & Paper immer nur in einem bestimmten Rahmen frei.
Gleichzeitig lassen sich auch in Railroads wichtige Entscheidungen einbauen, deren Konsequenzen den weiteren Verlauf beeinflussen. Da eine Railroad nicht aus unzählig vielen verästelten Storylines bestehen kann, sind diese Punkte oft binärer, aber das muss ihrer Tiefe keinen Abbruch tun. Eine wichtige, tiefgehende, echte Entscheidung kann mitnehmender sein als ein Dutzend, die sich beliebig anfühlen.
Es ist deutlich schwieriger, in einer Sandbox eine große, epische, zusammenhängende Geschichte zu erzählen. Dafür eignen sich railroadigere Kampagnen klar besser. Es kann sich im Laufe der Zeit aus der Sandbox etwas herauskristallisieren, und einige meiner besten Runden liefen in dieser Art, aber wenn man es erzwingt, wird es railroadig.
In der Vorbereitung können beide aufwändig sein. Eine voll ausgearbeitete Sandbox steht einer Railroad wenig nach. Improvisieren kann man in beiden. Da kann ich für mich wenig Unterschied feststellen.
Ich glaube nicht, dass eine Version einfacher für die Spielleitung ist als die andere. Das ist von Person zu Person verschieden. Manchen wird das sandboxige einfacher fallen, anderen das railroadige. Gerade zu Beginn ist es vermutlich simpler, eine klassische Railroad vorzubereiten und auch zu spielen.
Fazit
Meine eigene Erfahrung mit Sandboxes, gerade im OSR-Bereich, waren sehr durchmischt. Es langweilt mich schnell, wenn ich das Gefühl bekomme, alles ist beliebig. Ich mag Geschichten, ich mag große Geschichten, und es kann dauern, bis die sich aus einer Sandbox entwickeln.
Gleichzeitig kennen wir alle die Frustration, wenn es nur einen Weg gibt, von dem man nicht abweichen kann. Wenn man das Gefühl bekommt, der eigene Charakter ist nur Publikum. Da erzählt jemand eine Story, aber ich höre nur zu.
Deshalb liegt für mich der meiste Spielspaß irgendwo in der Mitte. Eine Kampagne, die beides kann, echte Entscheidungen, epische Geschichten, Spielraum für die Gruppe. Ich selbst mache selten vorgefertigte Railroads, sondern konzipiere eher so, dass es ein Problem gibt und schaue dann, wie die Gruppe das wahrnimmt und angeht. Ich baue gerne harte Entscheidungen ein, mit klaren Konsequenzen. Aber ich lasse auch die Freiheit, meinen Kram zu ignorieren und sich eigenen Spaß zu suchen.
In den meisten Streamrunden, die ihr bei mir so seht, ist das genau so: Ich starte mit einer Situation, habe mir einige Gedanken zu den Aktionen und Reaktionen der NSCs, Gruppierungen und Institutionen gemacht, und versuche dann weitestgehend Freiheiten zu lassen und auf der Basis der Entscheidungen der Gruppen zu improvisieren.
Aber das ist weder Sandbox noch Railroad. Deshalb fällt es mir so schwer, diese beiden Begriffe als Gegensätze oder als in irgendeiner Weise richtig oder falsch zu sehen. Wie so oft im Pen & Paper sind die Fragen, wie gut ist es gemacht?, was möchte die Gruppe? und: funktioniert es? für mich deutlich wichtiger als ideologische Aspekte.
Wie so oft ist der Tipp, dass man solche Fragen in einer Session Zero klären kann und sollte, vermutlich der beste. Kommunikation ist bei einem kommunikativen Hobby wie Pen & Paper wenig überraschend das A und O!
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